Der starke Löwe

23. August 2018 Aus Von Hans-Werner Kulinna

Der Löwe Heinz, ihn siehst du hier,
er hielt sich für das stärkste Tier.

Er glaubte, König wohl zu sein,
und hielt die andern gar für klein.

Dann kam er auf den Berg gerannt
und brüllte seine Kraft durchs Land.

Und alle Tiere liefen fort
und suchten einen sicheren Ort.

Doch eh der Löwe sich versah,
da war kein Tier mehr da.

Er brüllte seinen Hunger raus,
die Erde bebte laut – o Graus.

Der Löwe hatte nichts zu essen,
er hätt’ so gerne Fleisch gefressen.

Da saß er nun, der arme Wicht,
und nirgends war ein Tier in Sicht.

Sein Magen knurrte immerzu,
nicht mal im Schlaf hatte er Ruh‘.

Da lief er zu den Bauersleuten
und wagte es, am Tor zu läuten.

Doch als die Leute ihn entdecken,
will sich jeder gleich verstecken.

Der Löwe streift ums Haus herum,
der Hunger brachte ihn fast um.

Da kommt er an den Hühnerstall,
bricht auf die Tür mit lautem Knall.

Die Hühner fliegen auf die Stangen,
da sitzen sie mit Angst und Bangen.

Der Löwe holt zum Sprunge aus,
da laufen alle Hühner raus.

Sie rennen gackernd kreuz und quer,
da holt der Bauer sein Gewehr.

Er ballert los, es rummst und kracht,
die Kugeln fliegen durch die Nacht.

Und eine trifft des Löwen Bein,
das fand der König gar nicht fein.

Nun humpelte der Löwenmann
und stöhnt so laut er kann.

Die Tiere hören das Gejammer,
und jeder kommt aus seiner Kammer.

Und mutig sprechen sie ihn an.
„Wer, König, hat dir das getan?“

Ach lasst mich alle bloß in Ruh‘,
macht meinen Höhleneingang zu.

Der Löwe lag nun tagelang,
sein Lebensmut, der sank.

Er dachte nach, was er getan,
sah jedes Tier als Untertan.

Es reute ihn sein  böses Denken,
er wollte sich von Einsicht lenken.

Er schleppt sich raus mit letzter Kraft
und hat es bis zum Berg geschafft.

Dann rief er allen Tieren zu,
ich lasse euch ab heut‘ in Ruh.

© Hans-Werner Kulinna