Der Ochse von Bethlehem
Als nun das Kind geboren war,
da lag ich da im weichen Stroh,
ganz still und auch von Herzen froh,
doch dieses war nicht immer so.
Denn früher war ich stark genug,
gar manche schwere Last ich trug,
mein Herr war stolz und lobte mich,
ich lag im Stroh und freute mich.
So ging die Zeit in schneller Hast,
bald brauchte ich so manche Rast.
Und eines Morgens stand ich stumm
ganz müd‘ in meinem Stall herum.
Mein Herr schrie wütend und befahl,
mich wegzuschicken – welche Qual.
Ich ging nach Bethlehem herein,
war traurig und auch ganz allein.
Und als ich mich in dunkler Nacht,
so einsam auf den Weg gemacht,
da sah ich in der Ferne brennen-
ein Licht – und ich begann zu rennen.
Ich stand vor einem kleinen Tor,
schob leise meinen Kopf hervor,
da lag ein Kind auf Heu und Stroh,
es weinte, weil es bitter fror.
Der Josef lud mich zu sich ein,
das Kind, es hörte auf zu schrei’n.
Die Nacht konnt‘ ich im Stall verbringen,
mir war’s als würden Glocken klingen.
Und neben mir im dichten Heu,
da lag ein Esel klein und treu,
er sah mich an und sagte leise:
„Ich gehe bald auf eine Reise.“
„Was meinst du, Esel, mit der Reise?“,
das fragte ich im Stall ganz leise.
Doch plötzlich waren Hirten da,
sie sangen Lieder wunderbar.
Und in der Dunkelheit da stand,
mein Herr – ich hab ihn gleich erkannt,
auch er wollte zur Krippe gehen,
das kleine Jesuskind zu sehen.
Er sah mich bei dem Kinde stehn‘,
und plötzlich konnte er verstehn,
warum ich hier im Stalle war,
jetzt war ich für das Kind nur da.
So kam viel Wärme in den Stall,
die Hirten sprachen überall
vom Kind, das in der Krippe lag,
an einem bitter kalten Tag.
Und als die Könige dann kamen,
so mancher lag sich in den Armen,
egal – ob er ein Reicher war,
das ist’s, was Weihnachten geschah.
Ich war der Ochs von Bethlehem,
kein zweiter war dabei.
Und mitten in der Winternacht,
da haben wir uns aufgemacht.
Herodes gab Befehl geschwind
zu töten jedes kleine Kind.
Erst ging ich noch ein gutes Stück,
dann doch zu meinem Herrn zurück.
So zeigt ein jedes Krippenbild,
ob neu oder vergilbt,
bei Ochs und Esel schau gut hin,
ein jedes Tier hat seinen Sinn.
© Hans-Werner Kulinna